Gen Z

Gen Z

Neulich habe ich auf Instagram ein Video von einem jungen Mann gesehen. Er filmte sich – wie man das heute so macht – selber, während er offenbar auf dem Heimweg war. Dabei erzählte er, er sei jetzt seit drei Wochen am arbeiten, von 9-17 Uhr, und habe gemerkt: das geht ja gar nicht! „Ja, das klingt jetzt nach Gen Z, aber…“

Es sei 18:42 Uhr, er komme gerade an seiner Haustür an, und er habe jetzt gerade mal dreieinhalb Stunden zum Leben, bevor er ins Bett müsse, um am nächsten Tag wieder fit zu sein. „Nein, so geht das nicht!“ Eine Vollzeitstelle scheint also auf Dauer keine Option zu sein. (Wobei er 40 Stunden, also offenbar eine Fünftagewoche hat.)

Natürlich war mein erster Gedanke auch: ja, das ist eine Frage der Generation. Und natürlich waren die Kommentare entsprechend: voller Hass und Häme in alle Richtungen, sozusagen Gen Z gegen Boomer, Feuer frei! Ich bin vom Jahrgang her eigentlich kein Boomer mehr, aber wenn ich lese, wie Boomer angeblich so ticken, dann meine ich, das ist eigentlich die Generation der Kriegsenkel – und dazu gehöre ich definitiv.

Gleichzeitig versuche ich, in den sozialen Medien so mit Menschen umzugehen, als hätte ich sie leibhaftig vor mir sitzen: wertschätzend und möglichst verständnisvoll; deshalb habe ich mir jede Häme gespart. Aber ich muss doch zugeben, dass mich dieses Video einigermaßen fassungslos macht. Nur dreieinhalb Stunden zum Leben? Mir kam die entfremdete Arbeit in den Sinn, ein Begriff von Karl Marx. Wer eine Arbeit hat, mit der er sich überhaupt nicht identifizieren kann, die er nur wegen des Geldes ausübt, der wird immer ein Problem haben. Deshalb habe ich erstmal geschaut, was der junge Mann denn arbeitet: Schuftet er in einer Fabrik? Dann ist es in der Tat schwierig mit der Identifikation. Oder hat er einen Beruf mit besonderen körperlichen Herausforderungen, Dachdecker oder so? Nein: er ist Model! Vermutlich macht er auch diese Videos mehr oder weniger professionell.

Ich kann und will nicht beurteilen, wie anstrengend das ist! Aber in jedem Fall sollte er doch eine Beziehung zu dieser Tätigkeit herstellen können, sie in irgendeiner Weise als sinnvoll erfahren. Wenn es aber so ist, wieso „lebt“ er dann nur für den Feierabend, das Wochenende und den Urlaub – aber nicht während der Arbeitszeit? Das ist exakt, was der Begriff „work-life-balance“ zusammenfasst: die Arbeit wird als Gegenpol zum Leben verstanden.

Bitte nicht falsch verstehen: ich will nicht in die schlechte alte Zeit mit Kinderarbeit und Ausbeutung jeder Art zurück. Aber ein bisschen Realismus wünsche ich mir schon: Ich kenne Menschen, die kommen vom Land; da ist auch heute noch nix mit 40 Stunden und Fünftagewoche. Daran wird auch niemand was ändern können, und dennoch brauchen wir überlebensnotwendig Menschen, die sich dieser Herausforderung stellen. Anderes Beispiel: Ich habe selber im Schichtdienst gearbeitet – das tun in verschiedenen Berufen unendlich viele Menschen in unserem Land. Bei „9-17“ kriegen die feuchte Augen, aber ohne sie ginge alles den Bach runter! usw.

Von daher will ich nicht auf die Gen Z schimpfen, aber ich kriege doch etwas Angst, wenn ich denke, dass dieser junge Mann typisch sein könnte mit seiner Haltung, dass ein normaler Arbeitstag eine Zumutung sei. Wer soll unsere Gesellschaft am Laufen halten, wenn die jungen Leute nicht akzeptieren, dass zum Erwachsenwerden dazugehört, dass man eben auf vieles verzichten muss? Und wie sollen diese jungen Erwachsenen je in die Balance kommen, wenn sie selbst die interessantesten Berufe immer als entfremdete Arbeit empfinden und sich ständig nach Freizeit sehnen? Ich hoffe einfach, dass er nicht wirklich typisch für seine Generation ist…

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